Stiller Protest
»Wir sind das Volk« skandierten Hunderttausende während der legendären Leipziger Montagsdemonstrationen im Oktober 1989 und läuteten damit das Ende der DDR ein. In den Jahrzehnten zuvor, als die Führung der UdSSR fest an der Seite der SED stand, wäre ein solches Aufbegehren kaum möglich gewesen. Doch auch in jener Zeit gab es Widerstand gegen die Staatsführung – zum Beispiel den stillen Protest.
Die Politik des Wandels, die Michail Gorbatschow seit seiner Wahl zum Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion im März 1985 eingeleitet hatte, und die Öffnung der ungarischen Grenze nach Österreich hatten das Selbstbewusstsein der SED-Spitzen schwer erschüttert. Und so konnten die Demonstranten im Herbst 1989 das Kräftemessen mit dem Machtapparat binnen weniger Wochen für sich entscheiden. Daran war in den vier Jahrzehnten zuvor kaum zu denken. Das dicht geknüpfte Netz der offiziellen und inoffiziellen Mitarbeiter der Staatssicherheit schien in der Lage, jede Form des Protests im Keim zu ersticken. Die Angst vor Festnahme und langjährigen Haftstrafen ging um. Und doch fanden Leipzigerinnen und Leipziger Möglichkeiten, ihre Ablehnung der Zustände in der DDR und der Entscheidungen der SED zum Ausdruck zu bringen. Eine davon war der stille Protest – zum Beispiel gegen die Sprengung der Leipziger Universitätskirche im Jahr 1968.