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Eva Pilot
 
Liebe Museums-Besucher,

herzlich willkommen im ersten und bislang einzigen Online-Museum Leipzigs! Hier erhalten Sie ebenso unterhaltsame wie informative Einblicke in die jüngere Geschichte Leipzigs. Denn die Exponate dieses Museums kommen von Ihnen, liebe Leipziger. Sie spiegeln unterschiedliche Bereiche des Alltagslebens wider und zeigen aus ganz individuellen Perspektiven die Entwicklungsgeschichte Ihrer Stadt seit 1900. So erhalten Sie auch Antworten auf die Frage: Was verbinden die Menschen mit ihrer Heimat?

Dieses Online-Museum ist kein fertiges Projekt, sondern eine lebende Institution, die täglich wachsen soll. Doch das kann nur gelingen, wenn Sie tatkräftig mithelfen. Ihre Bilder, Filme, Texte und Tondateien sind die Schätze, die den Besuchern dieses Museums neue Blickwinkel auf die Messestadt nahe bringen. Aus Ihren Erinnerungen entsteht ein einmaliges Panorama dieser tollen Stadt.

Daher meine Bitte:
Wenn Sie Bilder, Filme oder Tondateien über das Leipziger Alltagsleben besitzen, dann leihen Sie uns diese Dokumente bitte für einige Wochen. Machen Sie mit und werden Sie Museumsstifter!


Ich wünsche Ihnen viel Freude beim virtuellen Rundgang durch "Heimat Leipzig", dem Museum von Leipzigern für Leipziger.


Collin Scholz,
Geschäftsleitung
Pilot:Projekt GmbH

 
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Tagesaktuelle PresseBerichte



Wie Leipzig meine zweite Heimat wurde

Marta Weise kam 1970 als ungarische Vertragsarbeiterin nach Leipzig


Nach dem Abitur in Ungarn wollte ich in Debrecen ungarische Sprache und Geschichte studieren, um Lehrerin zu werden. Meine Schwester Kati hatte die gleichen Fächer in Eger studiert. Doch ich hätte im Kollegium (Studentenwohnheim) wohnen müssen, was meine Mutti nicht mehr hätte bezahlen können. Ein Stipendium bekam ich auch nicht. So blieb ich noch ein Jahr zu Hause in der Kleinstadt Vasarosnameny. Enttäuscht und unentschlossen. Dann suchte mir meine Mutti eine Arbeit in einem Betrieb. Sie kannte eine sehr nette Frau – Palma mit Vornamen – deren Stelle ich übernahm, als sie in die Rente ging.


       
Arbeitsvertrag und Fotos privat. Repros Heinig. Mitte: Marta und Klaus jung verheiratet in Leipzig. Rechts: Marta heute.


Palmas Tochter lebte in Schweden.1956 hatte sie Ungarn verlassen, nachdem sie sich als Studentin in Budapest einer aufständischen Studentengruppe angeschlossen hatte und von der Uni geflogen war. Als sie später einmal ihre Mutter besuchte, machten wir am Ufer der Theiß einen ausgiebigen Spaziergang. Dabei hat sie mir viel erzählt. Ich war jung und fand sie und ihre Lebensgeschichte interessant und aufregend. Ich spürte in meiner kleinen Stadt an der Theiß: Das Leben hält noch viele Überraschungen für mich bereit.

Abends im Kino, wo meine Mutter arbeitete, schaute ich fasziniert Filme aus fremden Ländern. Sie befeuerten meine Fantasie. Laci, mein Bruder, las leidenschaftlich gern Abenteuerbücher über Jäger in Afrika, deren Inhalte wir abendlich durchsprachen. Das bestärkte mich noch mehr: Ich wollte nicht länger am heimischen Boden kleben. Kurz darauf traf ich meine spätere Chefin, Frau Földvary, in Vasarosnameny. Sie schlug mir vor: „Du kommst zu mir nach Debrecen. Wir suchen in der Buchhaltung eine junge Arbeitskraft.“

1967 schloss die Regierung der DDR staatliche Abkommen mit ihren sozialistischen Bruderländern mit dem Ziel, Arbeitskräfte für die steigende Produktion zu gewinnen. Bald trafen die ersten so genannten Vertragsarbeiter/innen aus Ungarn in der DDR ein. Arbeiter/innen aus Algerien, Kuba, Vietnam, Angola und Mosambik folgten.

1970 fragte mich Frau Földvary „Hast du nicht auch Lust, in der DRR zu arbeiten?“ Ich sagte sofort zu. Endlich ins Ausland! Mit der Leipziger Wollkämmerei wurde ein Arbeitsvertrag für die Dauer von drei Jahren vereinbart. Meine Berufsbezeichnung: Kämmereiarbeiterin in drei Schichten. Im Oktober 1970 kam ich, 23-jährig, mit weiteren Vertragsarbeitern in Leipzig an. Wir wohnten in der Gerberstraße gleich in der Nähe vom Bahnhof. Fünf Mädchen in einer Wohnung, eine Art WG.

Wir besuchten das Herder Institut Leipzig in der Lumumbastrasse. Dort lernte ich gründlich Deutsch: Lesen, Schreiben und natürlich Grammatik. Damit habe ich allerdings bis heute meine Problemchen.

Meinen Ehemann Klaus lernte ich zwei Monate später kennen. Er kannte Ungarn gut und sprach auch ein wenig ungarisch. Das machte ihn mir gleich sympathisch. Zudem hatten wir einen gemeinsamen ungarischen Bekannten. Klaus holte mich immer von der Arbeit ab, wenn ich Spätschicht hatte. Danach gingen wir noch auf ein Bier oder tranken einen Kaffee. Zuerst unterhielten wir uns sehr langsam. Doch schnell sprach ich immer besser Deutsch.

Klaus arbeitete als Chemigraph in einer grafischen Kunstanstalt, einer kleinen privaten Firma. So etwas war selten damals. Klaus ist ein richtiger Leipziger. Er liebt seine Stadt und war glücklich, mir alles zeigen zu können. Und er erklärte mir, warum die Dinge manchmal nicht so sind, wie sie sein sollten. Denn Leipzig war so grau und die Umwelt so belastet!

Schnell geriet ich in den Sog des alltäglichen Lebens. Immer mit dem Wörterbuch in Reichweite. Oft musste ich Fragen stellen, um die Welt um mich herum zu verstehen. Meine Neugier hielt mich wach. Wir haben auch viel politisch diskutiert. Seine Schwester lebte in West-Deutschland, mein Bruder in Kanada. Die Gesprächsthemen gingen uns nie aus.


   
Links: Presse-Foto. Heute im Bundesarchiv online. Rechts: Tagespresse. Privat.


Die Arbeit in der Wollkämmerei war nicht leicht. Drei Schichten und immer die schweren Spulen. Die Maschine gab ein hohes Tempo vor. Die Luft in der Arbeitshalle war nicht gut. Kleine Wollfussel schwebten darin. Und es war warm und laut. Ich war nicht lange in der Lage, die schweren Maschinen zu bedienen. Ein Arzt stellte mich mit einem Attest davon frei. So kam ich in den Keller der Wollkämmerei, in dem Kunstwolle gefärbt wurde. Ich musste mit einer langen Stange immer wieder Wolle herunterziehen, die durch ein Loch von oben hereinstürzte. Auch das war schwere körperliche Arbeit. Wir haben geschwitzt und gehustet. Und es roch nicht gut…

Unsere Brigade hingegen war dufte. Wir verstanden uns gut. Meine Kollegen waren froh, dass ich sie mit meiner lustigen, humorvollen Art unterhielt. Wenn ich etwas verkehrt gesagt hatte, lachten sie sich kaputt. Ich mochte es, wenn die Menschen um mich herum fröhlich waren.

Meine ungarischen Arbeitskollegen waren ebenso wissbegierig wie unsere Leipziger Kollegen. Wir redeten viel miteinander. Die Leipziger luden uns nach Hause zum Essen ein. Zeigten uns ihren Alltag. So lernten wir viele auch privat kennen. Umgekehrt kamen etliche Leipziger zu uns nach Ungarn in den Urlaub. Brachten ihre Familien mit. Dann zeigten wir ihnen alles bei uns. Viele dieser Freundschaften bestehen bis heute.

Mittlerweile sind Klaus und ich 44 Jahre verheiratet. Wir haben eine Tochter und ein Enkelkind. Und leben noch immer gern in Leipzig.




  
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URLAUB MIT EISBÄR
» Der Leipzigerin Karin Eidner
begegnete 1956 auf Rügen ein
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