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Gedenkminute während der Kirchensprengung: "Alle Kinder standen mäuschenstill"
Brief von Herrn Johannes Riedel, Altenheim Johanniterhaus, an SinnLeffers Leipzig
Leipzig, am 23.06.08
An "SinnLeffers"
Petersstr. 20
Leipzig
Für das geplante "Online-Museum" der Stadt Leipzig
Ein Erlebnis aus der DDR-Zeit in Leipzig halte ich für wert, aufbewahrt zu werden:
Als am 30. Mai 1968 (Himmelfahrt) die Universitätskirche gesprengt wurde, hatte ich als Lehrer in der 18. Polytechnischen Oberschule (POS) in der Brandiser Straße zur gleichen Zeit Unterricht in "Heimatkunde" in der Klasse 4b.
Bis heute konnte und durfte ich nicht darüber sprechen. Heute aber wage ich es auf Grund Ihrer Aufforderung, das Erlebnis öffentlich bekannt zu machen:
Zum genauen Zeitpunkt der Sprengung, den ich durch die Leipziger Volkszeitung (LVZ) vom 30.5.1968 erfahren hatte, unterbrach ich den Unterricht, ließ die ganze Klasse aufstehen und erklärte feierlich: "Jetzt, im Augenblick genau, geschieht auf dem Karl-Marx-Platz die Sprengung der Universitätskirche. Wir gedenken ihrer und ihres Verlustes in tiefer Trauer, und ich bitte euch alle, sie in guter Erinnerung zu behalten, denn sie war ein Stück unserer Stadt Leipzig und wurde im Kriege nicht zerstört."
Alle Kinder der Klasse 4b standen eine volle Minute in absoluter Ruhe und Disziplin mäuschenstill und ohne sich zu bewegen.
Danach ging der Unterricht weiter. Über das Ereignis wurde künftig kein Wort mehr gesprochen, Darin war sich die Klasse völlig einig. Es gab keinen, der widersprochen hätte. Dies bezeuge ich hiermit.
Johannes Riedel
Unterstufenlehrer an der 18. POS
von 1951 bis 1985
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